Meine erste Erfahrung, Selbstorganisation im Team zu implementieren, war mehr aus der Not geboren und nicht bewusst initiiert oder geplant. Ein Vertriebsteam, das aufgrund einer personellen Veränderung in Umbruchzeiten relativ unerwartet ohne Vertriebsleitung dastand, brauchte schnell gute Lösungen. Das Alltagsgeschäft musste weiterlaufen und es waren anstehende Neuerungen zu bewältigen. Was liegt näher, als in die Selbstorganisation einzutauchen?
Selbstorganisation: Wie es geht und wie nicht. Ein Erfahrungsbericht.
Der Sprung ins kalte Wasser lief erstaunlich gut. Kurz abschrecken und zack, schon ging´s los: In kurzer Zeit hatten wir gemeinsam gute Ideen entwickelt, einen Plan, wie das Team es machen könnte und Struktur, wer welche Aufgabe(n) federführend übernimmt.
Learning: Mitarbeitende sind dabei, sie sind offen und mutig. Sie sind bereit Verantwortung anzunehmen und sich selbst zu organisieren.
Wir haben der Geschäftsleitung ein Kurzkonzept vorgestellt und es wurde sofort befürwortet. Ebenso wurde dem Wunsch, Einzelboni auszusetzen und in einen Teambonus zu verwandeln, stattgegeben.
Ein selbst organisiertes Team braucht Struktur.
Learning: Mitarbeitende können ihre Aufgaben und Herausforderungen gut selbst formulieren und strukturieren. Im Organisationskonzept wurde die Verantwortung im Team verteilt und „Führungsverantwortung“ zu einer wechselnden Rolle.
Zu deisem Zweck haben wir einen Wochenscout implementiert, als feste(n) Ansprechpartner*in. Der/die amtierende Wochenscout*in hatte feste Aufgaben für die laufende Woche, war für den Ablauf verantwortlich und Kommunikationsschnittstelle, auch bereichsübergreifend. Verantwortungsübernahme im wöchentlichen Wechsel.
Learning: Verantwortlich und Ansprechpartner*in zu sein, bringt viele neue Perspektiven und Herausforderungen.
Selbstorganisation heißt nicht alles selbst machen!
Wir haben sowohl das Konzept als auch die Ereignisse im Wochenrhythmus reflektiert, Erfolge gefeiert und nicht gelungenes gestrichen bzw. adaptiert. Ein „Daily“, die tägliche Kurz-Besprechung im Team, sicherte Kommunikation und die Informationsweitergabe sowie Prioritäten für den Tag oder die Woche. Mit den ersten Erfahrungen haben wir eine „Hotline“ eingerichtet für Fragen oder Unsicherheiten. Natürlich gab es beides, vor allem wenn es nicht unmittelbar mit dem Tagesgeschäft, sondern mit den neuen Rollen und Aufgaben im Zusammenhang stand. Die „Hotline“ gab Sicherheit und hatte eine starke Wirkung.
Learning: Selbstorganisation heißt nicht, sich selbst überlassen zu sein!
Verlauf. Jede*r im Team war mit Eifer dabei und eine ungeahnte Kreativität eröffnete neue Perspektiven. Nicht alles ist gut gelungen und die gefragte Unterstützung war ganz individueller Natur. Meist waren es Unsicherheiten oder Angst, bspw. Angst eine Entscheidung zu treffen oder Angst sich zu blamieren. Mitarbeitende sind auf unterschiedlichen Lern- und Entwicklungsniveaus und manche unsicherer als andere. Was mich wirklich erstaunte: extrem schnell ist Teampower und Gemeinschaft entstanden. Ein gemeinsamer Lernporzess am Erfolg und an der Erfahrung.
Was bringt Selbstorganisation?
Es macht sich bezahlt, wenn man an die Menschen glaubt, ihnen etwas zutraut und darauf vertraut, dass sie ja auch ihr eigenes Leben und die Familie selbst organisieren – warum sollten sie das in der Organisation nicht tun oder nicht können? Wir hatten eine neue Ausgangsbasis geschaffen und ein Fundament gebaut, das für eine weitere Entwicklungsstufe bereit war!
Learning: Das Team hat eine tolle Entwicklung durchlaufen, in erstaunlich kurzer Zeit. Es ist ein unsichtbares Band entstanden, mit Teamwork und Teamgeist. Das Alltagsgeschäft lief unverändert gut, neue Projekte konnten zielgerichtet weitergeführt werden. Das Outcome hat nicht gelitten, allerdings ist die (gefühlte) Belastung gestiegen.
Selbstorganisation works – solange Vertrauen da ist!
Nach 4 Monaten wurde auf oberster Management-Ebene beschlossen, dass es wieder eine Teamleitung geben wird. Alles wurde auf null gesetzt und auch der Teambonus wieder rückgängig gemacht. Mit anderen Worten: Alles fiel wie ein Kartenhaus zusammen.
Warum? Weil man in der obersten Management-Ebene eine*n feste*n Ansprechpartner*in haben wollte, der/die Zahlen „überwacht“ (!), die Zahlen nach oben reportet, „das Team zusammenhält“ und Kontakt zu den anderen Abteilungs- bzw. Teamleitungen hält – so die offizielle Lesart. Es war eine Entscheidung, die über die Köpfe hinweg entschieden wurde! Aus weiter Ferne im britischen Mutterkonzern. Fremdbestimmt.
Die Obwohl das Team über 4 Monate hinweg mit Einsatzfreude und Lernwille eine ungeahnte Performance gezeigt hat, wurde die Entscheidung nicht diskutiert. Wir hatten gemeinsam Selbstorganisation praktiziert und „New Work“ Luft geschnuppert – es fühlte sich für alle gut an. Im operativen Geschäft lief es tadellos, es hätte sehr viel mehr daraus werden können. Es hat geklappt – bis das Vertrauen entzogen wurde. (Warum? Blogartikel hier.)
Neueste Kommentare