New Leadership als Erfolgsfaktor.

Wenn es um Agilität und New Work geht, ist Führung ein heikles Thema. Einerseits, weil vieles im Umbruch ist und die Rolle von Führung nicht klar definiert sein kann. Andererseits, weil die Fülle an agilen Methoden sowie der Ruf nach Hierarchieabbau und Selbstorganisation implizieren, dass Führung obsolet sei. Welche Bedeutung hat Führung im agilen Kontext? Welche Einflussfaktoren spielen welche Rolle?

Das Neue braucht mutige Vorbilder.

In der Schlacht von Guinegate standen sich im Jahr 1497 zwei ungleiche Gegner gegenüber: Ein Heer kampferprobter französischer Ritter und ein mit Piken ausgestattetes Fußvolk. Nicht nur die Ausbildung war ungleich, auch die Taktik und Truppenführung. Während der französische Heeresführer das Kampfgeschehen hoch zu Ross aus sicherer Distanz beobachtete, kämpfte der 20-jährige Erzherzog Maximilian im ersten Glied gegen die herankommenden Ritter, er führte seine Fußtruppe persönlich in die Schlacht. Nach vierstündigem Kampf waren die Franzosen geschlagen und flohen vom Schlachtfeld.

Die Schlacht fand in einer Zeit des militärischen Übergangs statt. Die französischen Ritter setzten auf das Bewährte, Maximilian auf eine Taktik, die ebenso revolutionär war wie die Tatsache, dass er sich wagemutig in die kämpfende Truppe eingereiht hatte. Seine Entschlossenheit und Vorbild haben den Kampfesmut erheblich beeinflusst.

Spiegelneuronen und Vorbilder – einfaches Prinzip, einfache Wirkung.

Rund 500 Jahre später liefert die moderne Hirnforschung eine plausible Erklärung: Spiegelneuronen. Spiegelneuronen sind jene spezialisierten Gehirnzellen, die uns erlauben, Absichten intuitiv zu verstehen und die Handlung unbewusst zu imitieren.

Spiegelneuronen sind auch dabei, wenn es um Agilität und New Work geht, denn der Weg ist herausfordernd und führt in Neuland – es geht nicht darum, das Gewohnte in kleinen Schritten weiterzudenken. Der Schritt ins Neuland braucht mutige

Vorbilder, die entschlossen voranschreiten und aus der ersten Reihe etwas Kraftvolles senden, das Menschen bewegt, freiwillig zu folgen, obwohl es keine rationale Erklärung hat.

Mit diesem Prinzip hat Maximilian I. viel bewirkt. Er ging er aus dieser Schlacht nicht nur als Sieger hervor, militärhistorisch steht sie für eine Zeitenwende. Mit seinem Mut, Entschlossenheit und Wagnisbereitschaft legte er zudem den Grundstein für das Habsburger Reich, das Kaiserreich, in dem niemals die Sonne unterging.

Agile Führung: Es geht um Stärke, nicht um Macht.

Starke Vorbilder haben Symbolkraft, damals wie heute. New Leader trauen sich. Sie führen die Zeitenwende aktiv an und erzielen weitreichende Wirkung in kurzer Zeit: Sie haben die Mannschaft hinter sich (s. Beitrag) und Strahlkraft als Arbeitgeber. Frische Energien, produktives Potenzial und gute Bewerbungen beschleunigen den Durchbruch und potenzieren die Progression und die Prosperität gleichermaßen. Steht das Fundament, ist die Entwicklung ein Booster. Agile Organisationen sind bis zu 2,7 mal erfolgreicher als Peer-Groups.¹

Mut und Wagnisbereitschaft machen den Unterschied!

Zu einfach, um wahr zu sein? Einfach ja, allerdings liegen im echten (Arbeits-) Leben Steine im Weg, die das Einfache konterkarieren – meist unbewusst, was es besonders verzwickt macht.

Ein Handicap liegt darin, dass in den Führungsmodellen des Industriezeitalters Mut oder Wagnisbereitschaft einfach nicht vorkommen, obwohl es an sich herausragende Eigenschaften sind. Die prä-agilen Erfolgsfaktoren wie Rationalität, Plan- und Kontrollierbarkeit, die das Denken und Handeln fest im Griff haben, schließen beides sogar explizit aus. Hinzu kommt der im agilen Kontext allgegenwärtige Ruf nach Hierarchieabbau und Selbstorganisation. Phrasen, die implizieren, dass sich Führungskräfte, die Agilität und New Work auf den Weg bringen, selbst abschaffen.

Angst statt Mut. Angst vor Kontrollverlust, Angst vor dem Schritt ins Neuland, Angst vor Macht- und Statusverlust. Trickreich kämpfen die Unholde der alten (Management-) Schule mit harten Bandagen. Die Unholde setzen Angst ein, also relevante Emotionen, die nicht nur das Gute und das Einfache überlagern, sondern auch eine fatale Botschaft an Spiegelneuronen senden. Spiegelneuronen sind nicht nur aktiv, um Handlungen zu imitieren. Sie beobachten auch, wie Menschen emotional agieren!

Weil sich diese Mechanismen natürlich dem Bewusstsein entziehen, treten sie im Praxisalltag subtil und in diversen Erscheinungsformen auf. Beispielsweise durch die Suggestion, dass ein goldener Mittelweg möglich sei. Im Team werden agile Methoden wie Scrum implementiert und andererseits das Top-down Denken, Führungsstrukturen oder Anreizsysteme der alten Schule bewahrt. Führungskräfte arbeiten sich halbherzig an agilen Methoden ab, das vermeintlich Neue methodisch planbar, ganz ohne Wagnis. Auf dieses Erscheinungsbild trifft man im Arbeitskontext nicht selten.

Die Wahrheit ist: Diesen Mittelweg gibt es nicht, es kann ihn nicht geben. Spiegelneuronen dechiffrieren, ob Führende entschlossen oder ängstlich, Vorreiter oder Bewahrer sind, die wahre Absicht ist spürbar. Spiegelneuronen lassen sich nicht so einfach täuschen.

Die Erkenntnis, dass nicht Neuland, sondern eine halbherzig-mutlose Absicht regiert, bahnt sich ihren Weg: Ein Teil der Mannschaft verlässt frustriert das Feld. In der Schlacht von Guinegate waren es die französischen Ritter, in der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts sind es meist best-qualifizierte Mitarbeiter*innen, die für das Neue, den Fortschritt und die Innovation brennen. Sie ziehen die Konsequenzen und suchen die wirklich Wagemutigen und Entschlossenen.

Die ausgelöste Fluktuation ist einer von mehreren Kollateralschäden, die den Ruf nach Hierarchieabbau begründen!

Führende haben eine immanente Rolle im Prozess: sie können agiles und neues Arbeiten nicht nur auf den Weg, sondern auch zu Fall bringen. Sie können agiles und neues Arbeiten zum Erfolgsmodell führen – oder auf einen schmerzhaften und beschwerlichen Weg mit Kollateralschäden. Im Spannungsfeld zwischen Mut und Beharrungskräften entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit einer Organisation.

New Leadership = Mut und Wagnisbereitschaft.

New Leader gehen mutig und entschlossen auf das Neue zu und begeistern andere. Sie machen den ersten befreienden Schritt aus alten Denkmustern, legen den Grundstein für neues Führungshandeln, New Leading, und gleichzeitig das Fundament zum Werte- und Kulturwandel. Die Neuausrichtung im Denken, Handeln und Fühlen. Agile Konzepte funktionieren nur, wenn Führende mit im Boot und im Herzen dabei sind! New Leader sind unentbehrlich. Im Prozess und weit darüber hinaus.

 

Im Praxisalltag gibt es zahlreiche Indizien dafür, dass Agile oder New Leading im Gesamtkonstrukt unterschätzt wird und die mutigen Vorbilder fehlen. Mit der Themenreihe „Agile and New Leading“ möchte ich Denkanstöße geben, das Führungshandeln im Alltag konstruktiv-kritisch zu reflektieren und aus Reflexionen zu lernen. Im weiteren Verlauf werden Menschenbilder, Selbstorganisation und der Werte- und Kulturwandel, der als ständiger Gast am Tisch sitzt, beleuchtet.

 

Bildquelle: © pixabay.com | Peter Fischer

Dieser Text beinhaltet, neben den Links im Text, Gedanken und Impulse aus diesen Quellen:

¹ Agilität als Wettbewerbsvorteil. Der Agile Performer Index.

Spiegelneuronen: dasgehirn.info und Vera F. Birkenbihl

Habsburger.net und Maximilian 2019.tirol

Peters, T. / Ghadiri, A. (2013). Neuroleadership – Grundlagen, Konzepte, Beispiele: Erkenntnisse der Neurowissenschaften für die Mitarbeiterführung (2. Aufl.). Springer Gabler.